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Michael

Genereller Kopierschutz aus rechtlicher Sicht

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LETZTE BEARBEITUNG AM 09-Jan-2002 UM 15:52 (GMT)[p]Hi zusammen,

 

nachdem das Recht auf Privatkopien hier oft genug dargestellt worden und über das Archiv jederzeit nachvollziehbar ist, möchte ich lieber einmal wieder an folgender Meldung anknüpfen, auch wenn in der rechtswissenschaftlichen Diskussion noch nichts dazu veröffentlicht wurde:

 

"Ein ostwestfälischer Musikfan fühlt sich durch den Kopierschutz auf

einer Musik-CD betrogen und hat eine Strafanzeige gegen die Bertelsmann

Music Group erstattet."

 

http://www.heise.de/newsticker/data/ame-30.10.01-000/

http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/11006/1.html

 

Ich hatte ja schon in anderen Postings zum Ausdruck gebracht, daß ich der Klage in dieser Form wenig Erfolgsaussichten einräume. Die Klage birgt aber viele rechtlich interessante Punkte, die ich hier einmal darstellen möchte. Man muß die strafrechtliche und die zivilrechtliche Ebene unterscheiden. Nur auf die erstere Ebene bezieht sich die Klage.

 

Zur strafrechtlichen Ebene:

 

1. Betrug (§ 263 StGB):

a) obj. TB: Tauschungshandlung, Irrtum, Vermoegensverfuegung, Schaden

Das Problem ist hier, ob eine Irrefuehrung ueber Tatsachen gegeben ist. Man könnte annehmen, daß zumindest konkludent über die Tatsache getäuscht wurde, dass die CDs nicht den üblichen Standards entsprach und nicht überall läuft - denn das wohnt m.E. Musik-CDs, die man heutzutage kauft, stillschweigend inne. Die meisten kopiergeschützten CDs tragen allerdings inzwischen einen Hinweis, dass sie auf PC Laufwerken nicht abzuspielen sein. Andereseits tragen sie das CDDA-Logo, welches auch vorne auf jedem Computer-CD-Rom zu finden ist und sichern damit die Abspielbarkeit auf diesem Gerät zu. Es fragt sich, ob diese widersprüchliche Aussage in sich schon eine Täuschung birgt ? Das werden die Gerichte zu klären haben. Der Aufkleber muesste "Dies ist keine audio-CD sondern eine -Scheibe" heißen und so auffällig sein, dass der Kunde nicht über die Eigenschaft „audio-cd“ getäuscht wird. Es sind "CDs", die sich nicht an den Red-Book-Standard halten und damit eben keine "audio-CD" sind bzw. mangelhafte solche sind.

 

Die restlichen Voraussetzungen dürften insoweit erfüllt sein, insbesondere liegt ein Vermögensschaden unter dem Gesichtspunkt des "subjektiven Schadenseinschlags" vor. Was soll der Kunde mit einer CD, die er mangels geeignetem Player nur noch als Bierdeckel benutzen kann?

 

B) subj. TB: Vorsatz, Bereicherungsabsicht:

Spätestens hier dürfte die Klage aber scheitern. Man könnte zwar noch Vorsatz bejahen, aber sicherlich nicht auch die Absicht der rechtswidrigen Zugeignung.

 

2. Computerbetrug (§ 263a StGB):

a) "Zudem wirft die Klageschrift der BMG Computerbetrug durch vorsätzliche Verfälschung der Daten der betreffenden CD vor. [...] Nun werden sich möglicherweise bald deutsche Richter mit der Frage beschäftigen dürfen, ob die Verletzung des Red-Book-Standards für Audio-CDs durch Manipulationen des TOCs einer CD eine strafbare Verwendung "unrichtiger oder unvollständiger Daten" ist. Auch die Frage, ob man beispielsweise das digitale Auslesen einer CD beim Abspielen auf dem PC als Datenverarbeitungsvorgang begreifen darf, dürfte für das Verfahren eine entscheidende Rolle spielen."

obj. TB: Es kommen in Frage "unrichtige Gestaltung d. Programms", "Verwendung unrichtiger/falscher Daten" und "sonstige unbefugte Einwendung". Da ist die Abgrenzung sehr schwammig und häufig unklar. Es ist aber eher keiner der Tatbestände gegeben, weil die CD nur mit Kopierschutz im Markt ist. Es gibt daher keine Fälschung von Daten, nachdem die CD genau die Daten enthält, die sie nach dem Willen des Herstellers haben soll.

 

B) subj. TB: § 263a setzt wie § 263 ebenfalls rechtswidrige Bereicherungsabsicht vo-rauss. Aus o.g. Grund wohl nicht gegeben.

 

In zivilrechtlicher Hinsicht sieht die Lage für den Verbraucher viel erfolgversprechender aus:

Es besteht also ein gesetzlich normiertes Recht des Verbrauchers, sich Kopien von urheberrechtlich geschützten Werken zum privaten Gebrauch anzulegen

 

Ein generelles Kopierverbot führte § 53 Abs. 1 UrhG für das Kopieren von Musik-CDs ad absurdum. Das hat auch die Politik erkannt und steht den Plänen der Industrie gar nicht so positiv gegenüber: „Elmar Hucko, Abteilungsleiter für Wirtschaftsrecht im Bundesjustizministerium, lehnt einen Schutzmechanismus ab, der auch die Kopie für den Privatgebrauch unmöglich macht. Es müsse ein Weg gefunden werden, wie man den Künstlern ihre Ansprüche auf eine angemessene Vergütung sichere, aber das Recht auf die private Kopie nicht antaste. Sollte die Industrie hier beabsichtigen in breitem Maße Fakten zu schaffen, so könnte die Bundesregierung sie durch ein Gesetz zwingen, die „private Kopie“ zu ermöglichen.“

 

Grundsätzlich darf der Käufer einer Musik-CD darauf vertrauen, dass er ein Werk erwirbt, welches er zum privaten Gebrauch auch in den oben genannten Grenzen vervielfältigen kann. Ist dies nicht mehr möglich, so handelt es sich um einen Mangel und der Kunde kann nach kaufrechtlichen Regeln Wandlung oder Minderung verlangen. Dies dürfte umso bedeutsamer sein, als die Praxis gezeigt hat, dass ältere Audio-CD-Player nicht in der Lage sind, die kopiergeschützten Scheiben abzuspielen. Wer also von einem Kopierschutz überrascht wird, kann den Silberling umgehend umtau-schen

 

Denn um einen Mangel handelt es sich bei einer "Abweichung der Ist-Beschaffenheit" von der "Soll-Beschaffenheit". Ein rechtlich erheblicher Mangel liegt vor, wenn die aktuelle CD von den Standards, die eine Audio-CD üblicherweise einzuhalten hat, abweicht und diese Abweichung nicht bloß unerhebliche Auswirkungen hat. Die CD als solche ist physikalisch einwandfrei. Sie weist weder Kratzer noch sonstige Fehler auf, die ein Abspielen verhindern. Aber sie hat einen Kopierschutz. Dieser führt dazu, dass die Audio-CD in manchen CD-Playern und in CD-ROM-Laufwerken von Computern nicht abspielbar ist. Wenn eine audio-CD den dafuer gültigen Standard verletzt, ist die Abspielbarkeit auf keinem diesen Standard einhaltenden Gerät gesichert. Das ist die Definition von Standard. Nun wurde aber der Kopierschutz in einer Weise realisiert wurde, die dem Red-Book-Standard, der die Beschaffenheit von Audio-CDs technisch festlegt, widerspricht. Der Käufer einer Audio-CD kann dagegen grundsätzlich erwarten, eine CD zu erwerben, die in handelsüblichen Audio-CD-Playern abspielbar ist. Zu diesem Zweck wurde der Standard geschaffen. Sofern sowohl CD-Player als auch CD konform diesem Standard sind, muss eine CD in jedem CD-Player, der diesen Standard unterstützt, abgespielt werden können. Das Abspielen auch auf älteren CD-Playern muß Mindeststandard bleiben. Der Käufer muß nicht im geringsten damit rechnen, daß seine CD sich nicht auf einem CD-Player abspielen läßt. Der Käufer einer handelsüblichen Audio-CD geht davon aus, daß er diese CD in jedem CDP und in jedem Computer abspielen kann. Wird eine CD daher mit dem entsprechenden Label gekennzeichnet und entspricht nicht diesem Standard und führt dies dazu, dass die CD beim Käufer in einem Gerät, das den Standard unterstützt, nicht abspielbar ist, - dann liegt ein rechtlich erheblicher Mangel vor. Konsequenz: Der Käufer kann den Kaufvertrag für die CD wandeln, also rückgängig machen und sein Geld zurückverlangen. Auf einen Umtausch gegen eine andere CD muss sich der Käufer nur dann einlassen, wenn BMG zwischenzeitlich die CD ohne Kopierschutz auf den Markt gebracht hat.

 

"Soll" ist eine audio CD. Meist steht auf der Cd auch noch der Hinweis CDDA, der eindeutig für eine reine Audio CD spricht. Geliefert wird eine CD, die diesem Standard (eben red book, wie schon im Thread erwähnt) nicht entspricht. Es könnte sich sogar durch den Vermerk CDDA um eine "zugesicherte Eigenschaft" handeln.

Wie unten im thread ja auch schon erwähnt wurde wird dieses "CDDA"-Symbol wohl von Philips an alle lizensiert, die es auf ihre (standardkonformen) Audio-CDs drucken wollen. Die Bedeutung dessen, daß Philips sich jetzt in diesem Punkt auf Verbraucherseite geschlagen hat (natürlch nicht aus altruistischen Motiven) schätze ich als durchaus bedeutend ein.

Ein Mangel ist also zu bejahen, jegliche Ansprüche richten sich jedoch gegen den Vertragspartner, nicht den Hersteller (das gilt auch für das Rücktrittsrecht nach § 13a UWG) - d.h. auch hier ist die BMG nicht zu belangen. Der Abnehmer muß sich somit an seinen Vertragspartner halten - und dann stellt sich die Frage nach den Regressansprüchen der Händler.

 

Der Käufer einer CD hat, wie dargestellt, grundsätzlich das Recht, die Musikstücke zu privaten Zwecken zu kopieren. Dieses gesetzliche Recht kann ihm nur durch eine ent-sprechende vertragliche Vereinbarung entzogen werden. Voraussetzung dafür wäre jedoch, dass er auf diese Umstände v o r dem Kauf der CD hingewiesen wird, sonst wird ein Kopierschutz nicht Vertragsbestandteil und es gelten die gesetzlichen Rech-te. Enthält die CD dennoch einen Kopierschutz, so stellt das einen Mangel dar, der zur Rückgängigmachung des Kaufes oder der Herabsetzung des Kaufpreises berechtigt.

Wenn der Hersteller aber deutlich darauf aufmerksam macht, dass es sich um eine CD handelt, die nicht auf jedem Gerät gelesen werden kann. Dann wird beim Kauf eine besonderere vertragliche Vereinbarung geschlossen, die den Kopierschutz extra beeinhaltet. So wird die Industrie argumentieren, wobei sie damit nicht das Problem gelöst hat, daß sie ja eine „audio-cd“ verkaufen will, die der Silberling wegen Standardabweichung aber nicht darstellt.

Für technisch versierte Verbraucher bietet sich zudem die Möglichkeit, den Kopierschutz zu umgehen und so das Recht auf Kopien für den privaten Gebrauch zu verwirklichen. Dies ist zulässig, weil die private Kopie weder gesetzlich verboten ist, noch vom Hersteller verboten werden kann.

Der zentrale Punkt ist, nachdem der Verbraucher zwar das Recht hat sich Kopien von CDs für den eigenen Gebrauch anzufertigen, ob dem die Pflicht der CD-Hersteller gegenübersteht, dem Verbraucher dies auch zu ermöglichen. § 97 Abs.1 S.1 UrhG spricht von "Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschuetztes Recht". Fraglich ist nun, ob damit auch das Recht auf eine private Kopie nach § 53 UrhG gemeint ist. Dagegen spricht die systematische Stellung des §, denn nur der 5. Abschnitt spricht von "Rechten", der 6. Abschnitt dagegen "von Schranken". Ein Schadenser-satzanspruch aus § 823 Abs. 1 und 2 BGB iVm § 53 UrhG als ein *Schutzgesetz* für Privatkopierer ließe sich denken, in diese Richtung könnten Verbraucher argumentieren.

Angesichts der immer weiter fortschreitenden Integration des Computers in das sonstige, im Haus befindliche technische Equipment, wie Stereoanlage, Fernsehen, und so weiter, ist damit zu rechnen, dass auch die herkömmliche Stereoanlage in Kürze ausgedient hat und an Stelle dessen PCs für MP3-/Audio-CD-/DVD-Genuss im Regal stehen. Ob Käufer bereit sind, so kopiergeschützte CDs also überhaupt zu erwerben, wenn nicht sichergestellt ist, dass man sie mit zukünftigen Equipments wird abspielen können, wird sich zeigen.

 

Viele Grüße,

 

Michael

 

 

 

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Gast

http://www.plauder-smilies.de/wave.gif Michael,

 

war ja fürn techniker (die ja bekannlicherweise alle sprachlegastheniker sind) wie mich doch sehr zäh zu lesen. aber es beruhigt mich doch sehr, dass du nach diesen betrachtungen, dnen ich nicht immer wirklich folgen konnte, letztlich auf in etwa das gleiche ergebnis kommst, wie es der gesunde menschenverstand gebietet. dem ist ja in der jusristerei nicht immer der fall ;-)

 

 

http://www.plauder-smilies.de/party/ylsuper.gif blow your speakers with rock'n'roll http://www.plauder-smilies.de/party/ylsuper.gif

 

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Hi Frank,

 

>war ja fürn techniker (die ja

>bekannlicherweise alle sprachlegastheniker sind)

 

hihi, kein Widerspruch meinerseits :D

 

wie

>mich doch sehr zäh zu

>lesen.

 

Ich dachte mir einfach, daß ich vielleicht auch einmal was kompetentes beitragen sollte, wo es den Technikern dann so geht wie mir, wenn ich über "spannungsübersprechendefremdinduzierteMassenpotentiale" oder "rauscharmejitterkapazität" lesen muß. :D

Nein, ernsthaft, wir wollen das Thema ja umfassend abhandeln, als Verbraucher und da kann ein bißchen argumentative Munition nicht schaden.

 

aber es beruhigt mich

>doch sehr, dass du nach

>diesen betrachtungen, dnen ich nicht

>immer wirklich folgen konnte, letztlich

>auf in etwa das gleiche

>ergebnis kommst, wie es der

>gesunde menschenverstand gebietet. dem ist

>ja in der jusristerei nicht

>immer der fall ;-)

 

LOL, volle Zustimmung ;-) Es ist vielmehr so, daß juristische Argumentation meist ergebnisgesteuert ist. Dementsprechend könnte ich dieselbe Prüfung jetzt auch pro-Plattenindustrie ausarbeiten, aber das brauchen wir wohl nicht unbedingt hier :-)

 

Viele Grüße,

 

Michael

 

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Hi Sven,

 

>Danke für die Infos!

 

gerne.

>

>Dann werde ich mich mal in

>die Märkte zum Kaufen und

>tauschen schwingen:-)

 

Yepp, genauso muß man es machen!

 

Viele Grüße,

 

Michael

 

 

 

 

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