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Konservenklang wie live? Jein!

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Hi Leute,

 

einige der letzten Threads über den Unterschide zwischen Live- und Konserven-Erlebnis berühren zwar ein recht interessantes Thema, lassen aber den für mich sehr wichtigen Aspekt des „subjektiven Hörens“ weitgehend unberücksichtigt (soweit ich Eure Beiträge verstanden habe).

Hier meine Erfahrungen und Vermutungen zu diesem Bereich.

 

1. Das Live-Konzert unterscheidet sich im „Erlebniswert“ gravierend von der HiFi-Wiedergabe. Im Konzert werden ALLE Sinne des Besuchers angesprochen: Sehen, Hören, Fühlen (ungewohnter Sessel, Raumklima usw.), Riechen (Bohnerwachs, Mundgeruch des Nachbarn usw.). Und nicht zu vergessen: Als Besucher weiß man, daß ein einmaliges Erlebnis bevorsteht bzw. abläuft, das sich nie mehr genau so wiederholen läßt. Also öffnet man (normalerweise) seine sämtlichen Sinne soweit wie möglich (Psychofreaks mögen mich hier korrigieren) - was zuhause, „wo bloß eine Konserve läuft“, wohl nicht immer der Fall ist.

Daher hat das Konzert per se einen doppelten Vorsprung gegenüber der Konserve zuhause: Belegung aller Sinne UND maximale Aufmerksamkeit des Hörers. Denn dafür hat man ja einigen Aufwand auf sich genommen: Zeit und Kosten der Anfahrt, Eintritt geblecht . . .

 

2. Die in anderen Threads angesprochenen technischen Aspekte (z.B. den stark klangfärbenden Korpus eines akustischen Instruments durch möglichst klangneutrale LS-Membranen „echt“ zu reproduzieren etc.) möchte ich hier auf ein paar simple Überlegungen reduzieren:

Egal wieviele Instrumente wie komplex, laut oder leise zusammen- oder durcheinanderspielen, einschließlich aller Rauminformationen und Nebengeräusche – das alles ist in dem Protokoll „Luftdruckverlauf über die Zeit“ enthalten, das die Mikrofone im Konzertsaal aufnehmen. Wenn die Mikros und die gesamte nachgeschaltete Kette einschl. Konservenmedium und Hörkette im Wohnzimmer weitgehend fehlerlos arbeiten, kann dieses Luftdruckprotokoll auch entsprechend „fast wie echt“ zuhause reproduziert werden.

Leider wird zuhause die Akustik der Hörraumes mit der des Konzertsaales überlagert, und auch das Luftdruckprotokoll ist natürlich an keinen zwei Orten im Konzertsaal gleich. Daher kann das, was im Wohnzimmer an unser Ohr kommt, nie und nimmer identisch sein mit dem, was man im Konzert live hören würde bzw. gehört hat – selbst wenn die technische Kette zwischen Konzert und Hörraum ÜBERHAUPT keine Fehler machen würde!!

 

3. Nun kommt das Gespann „Gehör und Gehirn“ ins Spiel. Nach meiner Erfahrung (mit der ich glaube, nicht alleine dazustehen) kann das Gehirn -spätestens mit etwas Training- im Wohnzimmer glücklicherweise zwischen Rauminformationen „in der Aufnahme“ und denen des Hörraumes unterscheiden, solange LS und Hörplatz einigermaßen frei im Hörraum verteilt sind, d.h. sich nicht unmittelbar neben / vor Wänden, großen schallreflektierenden Möbelflächen usw. befinden. (--> Laufzeitdifferenzen am Ohr zwischen Direktschall von den Boxen und Hörraum-Echos...)

Mehr noch, es kann die Hörraumakustik sogar weitestgehend „ausfiltern“ und zumindest über den Informationskanal „Gehör“ das „originale Erlebnis“ so gut rekonstruieren, wie es die technische Kette zwischen Aufführung (einschl. Mikrofon-Aufstellung!!) und Hörraum zuläßt.

Die übrigen Sinne (Sehen, Fühlen, Riechen) bleiben natürlich unbeteiligt.

 

4. Daher kann man m.E. selbst angesichts dieser unvermeidbaren Reduzierungen und Verfälschungen des Original-Erlebnisses auch zuhause sehr intensive Hör-Erlebnisse haben - wenn man eben wirklich bereit ist, sich dem Rest der Illusion(!) zu öffnen(!!!!), der aus den Boxen kommt.

 

Hier mal eine wüste Spekulation, zum Zerreißen freigegeben:

Wenn Klirrgeneratoren wie z.B. Hansen‘s Phonosophie-Teile so unglaublich „live“ klingen – könnte das Gehirn diesen „Mehr-als-Live-Input“ aus einer Konserve vielleicht als „Entschädigung“ für den fehlenden Input auf anderen Kanälen (Sehen, Fühlen, Riechen) annehmen? Und könnte die Faszination an Röhrengeräten auf ahnlichen Effekten beruhen?

 

 

Nun noch einige meiner persönlichen Erfahrungen:

Ich bin kein regelmäßiger Konzertgänger, aber einmal z.B. haben meine Frau und ich uns mal Sarah Brightman in der Bonner Beethovenhalle gegönnt (Geschmachssache, aber darum geht es mir hier nicht). Wenn wir ab und zu die CD dieses Programmes „Eden“ hören und den Kopf frei haben von sonstigen störenden Gedanken(!!), fühlen wir uns praktisch wieder nach Bonn versetzt. Das Schließen der Augen ist dabei übrigens ungemein hilfreich, damit der „Konzertfilm“ nicht durch den Anblick der Boxen und der Wohnzimmerwand gestört wird!

Ab und zu höre ich auch mal die Morricone-CD „Spiel mir das Lied vom Tod“ (RCA ND 71704). Obwohl die Aufnahme alles andere als perfekt ist (es brummt bei leisen Passagen, Geigen haben zeitweise unnatürliche metallische Klanganteile usw.), ist für mich das Erlebnis bei manchen Tracks auch wegen der recht überzeugenden Räumlichkeit einfach überwältigend – da glaube ich die Gewissenhaftigkeit und Begeisterung aller Beteiligten (Komponist, Musiker, Dirigent, Toning’s) rauszuhören.

Eine weitere meiner „Mitreiß-CD’s“ ist Berlioz‘ Symphonie fantastique (Deutsche Grammophon 410 895-2): Der Konzertsaal entfaltet sich so überzeugend hinter meinen Boxen, daß ich mich spontan reinversetzen kann – aber eben nur, wenn ich stimmungsmäßig in der Lage bin, mich der Illusion zu öffnen.

 

Alle diese CD‘s höre ich übrigens nicht jeden Tag, sondern eher selten. Ich vermute, daß sie für mich auch dadurch „etwas besonderes“ bleiben – ansatzweise vergleichbar einem einmaligen Konzertbesuch, was die Erlebnis-Intensität entsprechend unterstützt.

 

Hier noch ein zwei technische Aspekte, die mir mein Musik-Erleben erleichtern:

 

Ohne richtigen Tiefbaß fehlt etwas. Meine Standboxen liefern echte 30 Hz mit vollem Pegel, und für die Oktave darunter stehen nochmal 3 aktiv gefilterte Baßreflex-Subwoofer mit insgesamt 540 Liter Nettovolumen bereit. Die runden den Baß zwar nur nach unten ab und erscheinen meistens stumm, aber wenn ich sie wirklich abschalte, fehlt öfter „irgendwas am Erlebnis“, als ich vorher vermutete (hier möchte ich mal meiner Frau ausdrücklich für ihre Toleranz gegenüber diesen Monstern danken!).

 

Die in der HaiEnt-Szene allgemein verteufelte Loudness-Funktion hat sich bei mir als definitiv „erlebnisfördernd“ herausgestellt (sogar durch eine überzeugendere Räumlichkeit trotz der „schlimmen Phasenfehler“!).

Aber bei mir läuft keines der serienmäßigen abschaltbaren RC-Glieder am Verstärkerpoti, sondern eine selbstgebaute, auf meine Kette und Hörraum in langen Versuchen angepaßte Schaltung an einem Extra- Poti. So kann ich am Amp ohne Loudness zunächst „Live-Pegel“ einstellen und dann mit dem Loudness-Poti (von dessen Rechtsanschlag = Linearbetrieb ausgehend) die Lautstärke reduzieren, wobei mit sinkendem Pegel die Loudness gleitend stärker wird, so daß die gehörmäßige Balance zwischen Bässen, Mitten und Höhen weitestgehend erhalten bleibt.

Das ermöglicht mir auch spätabends bei Zimmerlautstärke noch ein „volles“ und „erlebnisreiches“(!!) Klangbild. Die Konstrukteure älterer Amps mit serienmäßiger Loudness lagen mit diesem Grundgedanken gar nicht so falsch . . .

 

Mein Gesamt-Fazit: Bei einer guten Hörkette einschl. Hörraum und Aufnahme (die vor allem ein „in sich überzeugendes“ Gesamt-Klangbild liefern sollten!) vermute ich das größte Defizit-Problem zwischen Live und Reproduktion in unseren Köpfen.

 

Gruß Ulf

 

 

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